Unverbissen vegetarisch

…flexitarisch, vegetarisch, vegan? Hauptsache, die Richtung stimmt!

Auf das Maß kommt es an, oder: warum ich flexitarisch bin

Zugegeben: meine Beweggründe seit einigen Jahren einen flexitarischen Lebensstil zu führen sind nicht moralisch-ethischer Natur. Dafür ist mir die Viehwirtschaft und die damit verbundenen Traditionen und Verhaltensweisen zu gewohnt.

Wegen der Sommer auf dem Hof meiner Großeltern in der Türkei, war mir der Umgang mit Nutztieren von Kindheit an vertraut. Dazu gehörte auch das Töten von Tieren zum anschließenden Verzehr. Als Teenager machte ich noch hier und da dumme Späßchen mit befreundeten Vegetariern. Ich brachte zum Beispiel einer Freundin Fotos eines Opferschaafs, das für eine Beschneidungsfeier geschlachtet wurde, aus den Ferien mit.
Nein, meine Beweggründe sind bio- und ökologisch-ethische Bedenken. Ich zweifle an der Verträglichkeit der Landwirtschaftsindustrie für Mensch und Umwelt. Und besonders die intensive Viehwirtschaft, die Massentierhaltung, zeigt meiner Meinung nach am deutlichsten, welch negative Folgen eine total industrialisierte und nur den freien Märkten dienende Agrarwirtschaft hat.

Laut FAO, der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der UN, verzeichnet die Intensivtierhaltung hohe Wachstumsraten in weiten Teilen der Welt. Die damit verbundenen problematischen Konsequenzen werden entsprechend stärker in Wirkung treten. Und die Folgen der Massentierhaltung sind so zahlreich, so vielfältig, dass es sich lohnt mal einen Moment innezuhalten und einige einfach mal geballt zu benennen.

Intensive Tierhaltung: ein komplexes Problem

Die durch ein – schon erreichtes – Übermaß an Massentierhaltung entstehenden Problemfelder sind:

Mikrobiologie / Einsatz von Pharmazeutika
Nutztiere sind milliardenfach von Mikroorganismen besiedelt, man könnte sie daher auch als Bioreaktoren bezeichnen. Im Inneren der Tiere entsteht ständig neues Leben. Durch Rekombination und Mutation werden dabei neue, genetisch veränderte Organismen gebildet. Veränderte Mikroorganismen können eine Gefahr für den Menschen bedeuten.
Ein Beispiel: „(Die) Rinderdichte war statistisch signifikant positiv assoziiert mit der STEC-Gesamtinzidenz – pro 100 zusätzlich gehaltenen Rindern pro Quadratkilometer stieg das Risiko einer STEC-Infektion um 68%.“ Aus den Ergebnissen einer Studie, vorgestellt auf dem vom bayrischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit veranstalteten II. EHEC-Workshop 2007.
Zu den STEC, den Shiga-Toxin produzierenden E.Coli, gehören auch die EHEC-Erreger.
Die Problemfelder Mikrobiologie und Einsatz von Pharmazeutika in der Tierhaltung können nicht getrennt genannt werden, bedingen sie sich teils sehr, wohnt dem Verhältnis eine Dynamik inne. Zum Beispiel erhöht die unselektive Anwendung von Antibiotika die Wahrscheinlichkeit der Bildung von Resistenzen.

Landschaftsverbrauch / Ertrag je Hektar
Etwa ein Drittel der Ackerflächen auf der Welt dienen dem Anbau von Futterpflanzen. Ein weltweites Ansteigen der Massentierhaltung wird den Anteil der Anbauflächen für Futterpflanzen noch vergrößern.
Laut Greenpeace können mit dem Ertrag von Feldfrüchten eines Hektars rund 30 Menschen ein Jahr lang ernährt werden. Würden die selbe Menge Feldfrüchte als Futter für Nutztiere dienen, könnten sich nur noch 7 Menschen von dem Fleisch der Tiere ein Jahr lang ernähren.

Entsorgung tierischer Exkremente
Ein großes Problem ist die Entsorgung der tierischen Exkremente. Sinnvoll als Dünger kann nur ein Teil davon eingesetzt werden. In vielen Regionen Europas fällt einfach zuviel an. Nur ein Beispiel: Seitdem dieses Jahr die Einfuhrbedingungen für Dung nach Deutschland verschärft wurden, werden Exkremente aus niederländischer Tierhaltung nach Spanien verschifft.

Wasserverbrauch / Wasserbelastung
Überall wo Tiere gehalten werden wird Wasser verbraucht, bei intensiver Tierhaltung sieben mal mehr, als bei traditioneller Weidenhaltung. Denn das Energie-Trockenfutter wird zum Verzehr angefeuchtet – bei Weidenhaltung ist die Aufnahme von Flüssigkeit durch den Verzehr der Weidepflanzen ausreichend.
Überall wo Tiere gehalten werden kommt es zu Gewässerbelastungen durch überhöhte Nährstoffeingabe. Eins der ältesten, am frühesten erkannten Probleme, die die Viehwirtschaft mit sich bringt oder verstärkt. Neben der Nährstoffbelastung ist die Kontamination des Wasser mit Mikroorganismen zu nennen – der wahrscheinlichste Weg, wie Gemüse auf dem Feld massenhaft mit Darmbakterien (Ehec) kontaminiert werden könnte.

Klimaschädliche Gase
Intensive Tierhaltung bedeutet auch die Intensivierung der Belastung durch klimaschädliche Gase wie Methan und Lachgas. Beides Stoffe, die hundertemal klimaschädlicher sind als CO². Und Lachgas ist erst nach mehr als 100 Jahren abgebaut.

Gründe um über den Fleischkonsum nachzudenken

Es sind diese und noch mehr Probleme, die sich aus der übermäßigen Massentierhaltung ergeben. Letztendlich hat mich die Beschäftigung mit diesem Thema, den biologischen und ökologischen Folgen der modernen Viehwirtschaft dazu gebracht, einen flexitarischen Weg einzuschlagen.
Nicht, das dies nicht schon genug Gründe wären, über den Fleischkonsum nachzudenken, resultieren aus den veränderten Produktionsbedingungen auch negative gesellschaftliche Folgen, hauptsächlich für die Mitglieder der landwirtschaftlichen Produktion selbst.
In Zukunft werden Artikel in loser Folge versuchen viele dieser Aspekte zu beleuchten, möchte ich meinen kritischen Standpunkt darstellen.
Ich hoffe ich kann den Einen oder Anderen anregen und/oder Argumente liefern für eine konstruktiv-kritische Auseinandersetzung mit diesem Thema. Es geht nicht um totalen Verzicht, es geht um die Frage nach dem richtigen Maß.
Denn im übertragenen Sinne und frei nach Paracelsus:
Auf das Maß kommte es an, ob die Viehwirtschaft giftig ist!

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